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Reformationsstadt Berlin

Deutschland

Berlin

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Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands und zugleich ein eigenes Bundesland. Am Schnittpunkt mittelalterlicher Handelswege gelegen, war Berlin schon immer eine Brücke zwischen Ost und West. Im Verlauf ihrer Geschichte war die Stadt in der Folge verschiedener Staatsformen Residenz- und Hauptstadt Brandenburgs, Preußens und des Deutschen Reichs. Mit der industriellen Revolution stieg Berlin zur größten Stadt zwischen Paris und Moskau auf. Berlin wurde zu einem Zentrum der Wissenschaft und Kultur, der Mode und der Medien. Manch eine dieser Traditionen verschwand mit dem nationalsozialistischen Terror und den Folgen des Krieges. Ab 1949 war der Ostteil der Stadt von der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zur Hauptstadt erklärt worden. Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurde Berlin zur gesamtdeutschen Hauptstadt und begann seinen Platz unter Europas Metropolen wieder einzunehmen.

Die Residenzstadt Berlin-Cölln des Kurfürstentums Brandenburg zählte nicht zu den frühen Zentren der Reformation in der Mark Brandenburg. Aus der Zeit bis 1539 gibt es nur einige wenige Hinweise für die Verbreitung reformatorischen Gedankenguts unter der Stadtbevölkerung. Erst aus dem Frühjahr 1539, als Bürgerschaft und Magistrat der Stadt Berlin um die kurfürstliche Erlaubnis einer österlichen Abendmahlsfeier mit Brot und Wein nachsuchten, ist ein eindeutiger Beleg überliefert.

Das eher geringe Interesse in der Bevölkerung an der Reformation mag auch daran gelegen haben, dass die kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten die Reformation erfolgreich blockierten. Der Reformationsprozess im Kurfürstentum setzte die persönliche Entscheidung des regierenden Fürsten für die Reformation voraus. Entscheidende Schritte dazu unternahm Kurfürst Joachim II. (1505-1571) mit seinem Regierungsantritt 1535. Seine Entscheidung war von vielfältigen Gesichtspunkten bestimmt. Die reformatorische Bewegung wurde zwar nicht länger verfolgt, eine offizielle Einführung der Reformation wagte er aber zunächst aus reichspolitischen Gründen nicht.

Zum Schlüsseldatum sollte dann jedoch der Allerheiligentag (1.11.) des Jahres 1539 werden. Um bis zu diesem Tag alles vorzubereiten, holte Joachim II. reformatorische Theologen nach Brandenburg und hielt engen Kontakt zu den Wittenberger Theologen. Den Auftakt zur Kirchenreform machte die erste offizielle reformatorische Predigt, die am 14. September 1539 von Propst Georg Buchholzer im Berliner Dom gehalten wurde. Auf sie folgte das erste offizielle evangelische Abendmahl, das am 1. November 1539 vom Brandenburger Bischof Matthias von Jagow in der Spandauer Nikolaikirche an Joachim II. und Vertreter des märkischen Adels ausgeteilt wurde. Mit dieser demonstrativen Geste des Landesherrn galt Brandenburg mit den damals noch eigenständigen Städten Berlin und Spandau als Land der lutherischen Kirchenerneuerung. Im Sommer 1540 folgte die Kirchenordnung, die die Grundlagen der kirchlichen Erneuerung festschrieb.

Diese drei Maßnahmen ‒ die evangelische Predigt, das evangelische Abendmahl und die reformatorische Kirchenordnung ‒ begründeten die reformatorische Landeskirche. Im Zuge des Aufbaus kirchlicher Organisationsstrukturen des „landesherrlichen Kirchenregiments“ entwickelte sich unter der Regierung des Landesfürsten eine lutherische Landeskirche konservativer Prägung.
Zwar kam Luther nie bis Berlin. Doch prägte er langfristig mit seiner Lehre das Wesen Preußens und den Charakter Berlins und seiner Bewohner entscheidend. In Berlin-Cölln entstand nach und nach eine evangelische Pfarrerschaft, das Schul- und Krankenwesen wurden evaluiert und mit Hilfe der Einführung des „Gemeinen Kastens“, in den alle kirchlichen Mittel flossen, wurde die Finanzierung der Kirchen und das Armenwesen auf eine neue Basis gestellt. Bald schon gab ein evangelisches Christentum lutherischer Prägung der Stadt religiös und kulturell ein neues Gesicht.

1613 trat der dritte Nachfolger Joachims II., Kurfürst Johann Sigismund (1572‒1620) aus persönlichen Gründen zum reformierten Glauben über. Sein Versuch, eine flächendeckende Neuordnung der Kirche in Brandenburg durchzuführen, scheiterte allerdings. Die überwiegende Mehrheit der Untertanen stellte sich gegen einen Wechsel des Bekenntnisses. Die reformierte Tradition beschränkte sich in der Folgezeit auf den kurfürstlichen Hof und eine kleine hofnahe Elite.

Die faktische Bikonfessionalität der Stadt mit einer lutherischen und einer reformierten Bevölkerung wurde bewirkt, nachdem Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620-1688) mit dem Edikt von Potsdam 1685 die in Frankreich verfolgten Hugenotten nach Brandenburg einlud. Unter den 20.000 reformierten Glaubensflüchtlingen, die damals der Einladung folgten, ließen sich allein 6.000 in Berlin nieder. Sie trugen als Handwerker, Unternehmer und Finanzakteure zum industriellen Aufschwung der Stadt bei.

Die Koexistenz beider Konfessionen wurde mit der von König Friedrich Wilhelm mit gleichzeitiger Wirkung in Potsdam und Berlin am 31. Oktober 1817 eingeführten Union kirchenrechtlich besiegelt. Seitdem sind Lutheraner und Reformierte in Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft miteinander verbunden.

Quelle: http://reformation-mark-brandenburg.de (Andreas Stegmann)

Mit dem Kirchentag 2017 in Berlin und Wittenberg ehren wir das Werk des großen Reformators Martin Luther, ohne das der Lauf der Geschichte unserer Stadt eine ganz andere Bahn eingeschlagen hätte. Er hat das Werden Berlins von einer kleinen Residenzstadt zu einer Millionenmetropole entscheidend beeinflusst, den Charakter seiner Bewohner geprägt und ihren Geist verändert.

Michael Müller

Regierender Bürgermeister, Berlin

Links

Hauptstadt Berlin: www.berlin.de
Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz: www.ekbo.de
Berliner Veranstaltungen und Aktionen im Rahmen des Reformationsjubiläums: www.berlin.de/kultur-und-tickets
Ausstellung 500 Jahre Protestantismus in der Welt: https://www.dhm.de/presse/der-luthereffekt.html
Reformationsjubiläum in Berlin: paradiese.berlin
Verein für berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte: http://reformation-mark-brandenburg.de/reformation-regional-und-lokal/berlin-coelln/